Der Weg zur Prüfung: Verwirrungen durchstehen, Lernen & Vergessen

Nach dem Entschluss Ende 2011, die Prüfung zur Heilpraktikerin für Psychotherapie im Herbst 2012 zu absolvieren, stiefelte ich voller Eifer los. Dann begegnete mir einiges, das mich zweifeln lies, ob ich mein Ziel erreichen kann. Und auch das Behalten des Stoffs stellte sich als Herausforderung dar...

Hier mein Weg zur Prüfung, der sehr herausfordernd war und mir gezeigt hat, was ich alles überwinden kann, wenn ich etwas wirklich will.

Für Mitte Januar 2012 hatte ich einen mehrmonatigen Prüfungsvorbereitungskurs gebucht. Der wurde kurz vorher verschoben. Beginn nun im März. Würde damit mein Zeitplan noch klappen? Musste ich mir eine neue Schule suchen?

Es gab viele Verunsicherungen, Stopp-Schilder, Myten und Fragezeichen rund um die Prüfung selbst. Ich fand's richtig zäh, an stimmige und verlässliche Informationen ranzukommen. Ein Teil davon steht in diesem Artikel und die hätte ich gerne von Anfang an gewusst. Hätte ich nicht mein gesamtes Erspartes in den Kurs investiert und noch Budget frei gehabt, wäre ich am liebsten gleich davon gelaufen. Aber so blieb ich. Denn wer sagte, dass Alternativen besser wären?

Das Problem: Es gibt keine Ausbildungsverordnung wie zum Beispiel bei den Lehrberufen, an die sich jeder halten kann. Die Gesundheitsämter verschiedener Städte führen die Überprüfungen zur Heilpraktikerin für Psychotherapie durch (mit zum Teil zwei Jahre langen Wartelisten auf einen Termin). Es gibt eine schritliche Prüfung, die bis auf wenige Ausnahmen deutschlandweit gleich ist und eine mündliche Prüfung, deren Ablauf in jedem überprüfenden Gesundheitsamt anders ist.

Man muss sich auf das verlassen, was die Schulen unterrichten. Die bauen auf Erfahrungen auf, aber keiner kann verständlicherweise garantieren, das man mit dem erlernten Wissen in der mündlichen Prüfung durchkommt. Weil in der mündlichen auch nicht bezifferbare Faktoren eine Rolle spielen oder je nach Ort bestimmte Schwerpunkte gesetzt werden oder unterschiedliche Anforderungen an Therapiemethoden gestellt werden. Von manchen mündlichen Prüfungsorten gibt es Protokolle von Absolventen im Internet zu finden, so kann man ein Gefühl für das spezielle Gesundheitsamt bekommen.

Von meinem Prüfungsort (Düsseldorf, weil ich Köln eine lange Wartezeit galt) gab es leider kaum ein Protokoll im Netz. Das war alles sehr vage und verunsichernd. Ich wollte doch die Prüfung beim ersten Mal bestehen, aber wie sollte das mit den spärlichen Informationen möglich sein?

Deswegen habe ich viel recherchiert, Menschen angesprochen, ob sie mir helfen können. Menschen gefunden, die mir Mut machten. Mich selbst immer wieder motiviert, wenn es mal sehr schwer war. Mir zusätzliche Hilfe geholt, um möglichst gut vorbereitet zu sein.

Schrittchen für Schrittchen fand sich mein Weg zusammen. Es hat mich gerade am Anfang viel Kraft und Zeit gekostet, bis ich die richtigen und verlässlichen Informationen hatte und die Ahnung: Es ist möglich, dass ich es im Herbst schaffen kann.

Jetzt gerade spüre ich, wie stolz ich bin, dass ich es 'trotz allem' geschafft hab und am Ball geblieben bin. Rückblickend waren alle Blockaden hilfreich, denn sie haben mich angespornt, mich von vielen Seiten mit der Materie zu beschäftigen. Ich bin lange nicht so viel beruflich durch die Gegend gefahren wie in diesem Jahr, auch das hatte eine gute Wirkung.

Jetzt ahnen Sie, warum ich so selten gebloggt habe. Ich habe nur einmal im Frühjahr über mein großes Prüfungsprojekt in diesem Jahr hier geschrieben, den Artikel später wieder rausgenommen, weil ich merkte: Ich setze mich damit unter Druck und zerstreue meine Energie. Also Tunnelblick auf die Prüfung und volle Kraft voraus. :o)

Ich besuchte zwei Prüfungsvorbereitungskurse, einen in Köln und auch einen am Prüfungsort in Düsseldorf, um möglichst viel Sicherheit für die dortige Prüfung zu bekommen. Dazu wälzte ich verschiedene Fachbücher, manche gespickt mit so vielen Fachwörten, dass ich dachte, ich lerne eine neue Sprache.

Dann kam die große Herausforderung für mein Gehirn:

Es reicht nicht, den Stoff aufzunehmen, also zu hören oder zu lesen. Ich muss ihn auch wirklich verinnerlichen und verstehen. Und der entscheidende - und längste - Schritt: Das einmal Verstandene auch noch nach Monaten erinnern und mündlich wiedergegeben können. P U H !

Beim Lernen habe ich mit 42 Jahren erfahren, was es bedeutet, keine 19 mehr zu sein wie beim Abschluss meiner Lehre oder 30 wie bei dem Abendstudium zur Betriebswirtin. Das Wissen, zugegeben oft schwere Kost, wollte nicht ohne weiteres in meinem Kopf - obwohl ich es interessant fand.

Fürs Abendstudium 1996-2000 hatte ich ein Buch übers Lernen gelesen und bin damit ziemlich gut gefahren. So las ich im März 2012 zur Auffrischung einen aktuellen Artikel über "effektives Lernen".

Darin berichtete der Autor (ein Student) von einer mutigen Frau, die in ihrem 'hohen Alter' noch mal was neues lernen wollte. Die Frau war 35. :o) Mit 7 Jahren mehr auf dem Konto fand ich das vergnüglich. Wie unterschiedlich Menschen ein 'hohes' Alter beziffern...

Es reichte einfach nicht, zum Behalten des Stoffes nur im Unterricht zu sitzen und zuzuhören. Es war so unglaublich viel Stoff über psychische Krankheiten, Medikamente, den ich noch nie gehört hatte. Wie sollte ich das alles behalten?

Wer Vorwissen hat, kann das neue Wissen einfacher mit dem Bestehenden vernetzen. Es ist dann, als gebe es im Gehirn schon eine Kommode mit vielen Fächern, die dann durchgeschaut, aufgestockt, neu gefüllt oder auch nur abgestaubt werden können. Als Betriebswirtin hatte ich bisher nichts mit den Prüfungsthemen zu tun, da musste überhaupt erst mal eine Kommode her...

Zudem verfüge ich weder über ein fotographisches Gedächtnis, noch gehöre ich zu den Menschen, die einmal Gehörtes nie wieder vergessen.

Ein gelesener Text ist bei mir - flutsch - ziemlich schnell wieder weg.

Gehörtes behalte ich nur dann, wenn es markante Beispiele sind. Oben auf der Grafik steht, was man von dem Stoff behält, je nach dem wie man ihn aufnimmt. Im Unterricht ging es in erster Linie über den Kanal hören & anhand von Beispielen verstehen. Da das Gehörte aber ruckzuck wieder weg war, musste ich einiges tun, um das Skript für mich zum Leben zu bringen, es verinnerlichen zu können.

Ich hatte zwar kein Vorwissen im Gepäck, aber etwas ähnlich Wertvolles: Meine Begeisterung, eine große Neugier auf das Thema und ein klares Ziel vor Augen: Die Prüfung im Herbst 2012.

Bilder behalte ich länger, so habe ich mir die einzelnen Störungsbilder mit Mindmaps (Gedankenkarten) aufbereitet und sie sichtbar an die Wand gehängt. An die Wand gehängt, weil mir ein paar Mal passierte, dass ich die Mindmap abgeheftet hatte. Weil ich den Inhalt nicht gleich wiederholte, vergaß ich ihn und stellte nach ein paar Wochen beim Durchblättern meines Ordners erstaunt fest, was ich schon gemacht hatte...
Was habe ich noch gemacht, um den Stoff zu behalten?
Merkwürdige Merksätze erfunden (die x mal wiederholt, mir gut im Gedächtnis bleiben) oder Zeichnungen angefertigt, die ich mir mit der Memotechnik merkte ... und zwischendurch meinem Gedächtnis hoffnungsvoll für seine tolle Leistung gedankt.

Besonders gut behalten habe ich Themen, die ich mir selbst erarbeitet habe. Zum Beispiel in den Osterferien, wir hatten kurz zuvor Schizophrenie im Unterricht durchgenommen, aber noch nicht die Medikamente zu deren Behandlung, weil sie erst zum Schluss des Kurses auf dem Plan standen. Ich wollte das Bild für mich komplett machen und so habe ich mich unabhängig vom Lehrplan bereits mit den Medikamenten für Psychosen beschäftigt.

Den Stoff habe intensiv durchgearbeitet, in verschiedenen Büchern darüber gelesen, wichtiges in großen Mindmaps rausgeschrieben und Zusammenhänge erkannt. Das erarbeitete Wissen habe ich gleich angefangen zu wiederholen und später realisiert, dass ich für die Prüfung zuviel wusste. :o) Das finde ich aber nicht schlimm, es fühlt sich an wie eine gut sortierte Schublade in meinem Gedächtnis, in der ich mich gut auskenne.

Aufgrund fehlender Leitlinien ist es schwer, das richtige Maß zu finden: Wieviel Stoff muss ich wie sehr ins Detail wissen, um die Prüfung zu bestehen?

Den Stoff habe ich mit der Zettelkasten-Methode und Karteikärtchen wiederholt. Die Kärtchen wurden von Woche zu Woche mehr. Auf dem Bild mein selbstgebastelter Kasten nach der Prüfung.

Laut dem oben erwähnten Studenten mit dem Lernartikel würde es reichen, wenn man die Antwort eines Kärtchens fünf mal gewusst hat, dann könne man sie getreu zur Seite legen. Irgendwann habe ich angefangen, Daten auf die Kärtchen zu schreiben. Ich brauchte doch mehr wie fünf mal, oder? So stellte ich fest wie oft ich die Kärtchen wiederholen musste, damit sie endlich sicher im Kopf waren. Nun ja, es waren weit mehr als fünf mal und ich konnte sie auch nicht irgendwann beiseite legen: Ich musste sie in Abständen von einigen Wochen erneut wiederholen, brauchte dafür wohl weniger Zeit. Neu aufgenommenen Stoff musste ich sofort wiederholen, sonst war er wieder futsch und ich konnte ihn nochmal neu durcharbeiten.
Bin ich froh, dass es nicht nur mir alleine so ging. Und ich bin mir sicher, ich habe jetzt, einige Tage nach der Prüfung - und obwohl ich langfristig gelernt habe - einen Haufen Details vergessen. (Aber die Medikamente für Psychosen, die habe ich immer noch greifbar...)
Vergessen ist normal und mit vielen Dingen so. Was ich vor einigen Jahren mal täglich brauchte und aus dem FF konnte wie Zahlenkombinationen oder Arbeitsvorgänge, die weiß ich heute nicht mehr. Eine gesunde Vorratshaltung des Gehirns. Ungenutztes wird irgendwann entsorgt. :o)

Zweifel, ob ich die Prüfung im Herbst schaffe, waren bis zum Schluss meine Begleiter. Obwohl ich über viel praktische Erfahrung im Coaching verfüge und dabei verschiedene Methoden der Gesprächsführung, die auch im therapeutischen Prozess genutzt werden, in all den Jahren gelernt und angewandt habe. Es war eben viel unbekannte Theorie zu lernen und wer die schriftliche Prüfung bestanden hat, besteht noch lange nicht die mündliche Prüfung...

Ich hatte - wie jeder wohl - wenig Lust, die Prüfung nach einem halben Jahr wiederholen zu müssen. Den Druck, den ich mir gemacht habe, schwächte ich weitmöglich ab: "Ich versuche es auf jeden Fall. Sollte ich durch die Prüfung fallen, mache ich es eben noch mal. Ich habe dann zwar 500 € Prüfungsgebühr investiert, dafür sicherlich wertvolle Erfahrungen gesammelt, die mir für die Wiederholung der Prüfung helfen werden."

Was für Wissen man für die Überprüfung können muss? Ein kleiner Ausschnitt:

  • Rechtliches. Was darf ich, was nicht? Wo sind meine Grenzen, wann sind speziell ausbebildete Therapeuten wichtig und wann ärztliche Begleitung? Wie gehe ich in einem Notfall vor? Was ist Betreuung?
  • Was kann alles an psychischen Symptomen auftreten? Zum Beispiel können die Gefühle beeinflusst sein - depressive Stimmung oder Hochstimmung, gar keine Gefühle mehr spüren oder nur noch ganz wenige. Oder die Energie und der Tatendrang können verändert sein von viel bis gar nichts mehr. Auch das Denken kann verändert sein, zum Beispiel langsamer oder schneller...
  • Bei welchen Störungsbildern (=Krankheiten) tauchen welche Symptome auf? Wie zeigt sich die Krankheit? Wie erkenne ich sie? Wie entsteht sie? Wie viele Menschen sind davon betroffen? Wie werden die Symptome am besten behandelt? Beispiele für Störungsbilder: Demenz, Delirium, Depression, Anorexie, Hypochondrische Störung, Generalisierte Angsterkrankung, Borderline Persönlichkeitsstörung, ADHS...
  • Welche Therapieverfahren sind am wirksamsten? Was sind die wichtigsten Medikamente und welche erwünschten und unerwünschten Wirkungen haben sie? Wann sind Medikamente zur Behandlung wichtig (= Fachgebiet Arzt)? Welche körperlichen Erkrankungen und Medikamente können zum Beispiel depressive Symptome auslösen?

Ich saugte das Wissen neugierig auf. Spannend wurde es, als sich zum Schluss alles zusammenfügte und miteinander verknüpft werden konnte. Ein großer Teil des Wissens ist so interessant und so nah am Menschen und am täglichen Leben, dass ich zwischendurch immer wieder dachte: Warum weiß das 'keiner'? Das ist so wichtig, es müsste in der Schule unterrichtet werden, ein selbstverständlicher Bestandteil des Allgemeinwissens werden.

Noch für keine Prüfung oder keinen Abschluss habe ich so intensiv gelernt wie für diese hier. Mein Respekt vor dem 'kleinen' Heilpraktiker - eingeschränkt auf Psychotherapie - den ich absolvierte und erst recht vor dem 'großen' Heilpraktiker, der den ganzen Körper behandeln darf (den habe ich nicht gemacht) ist enorm gestiegen. Unfassbar, was man zu einem bestimmten Zeitpunkt für ein Wissen abrufen muss!

Seufz. Ich kann noch gar nicht glauben, dass ich es endlich geschafft habe. Vor ein paar Wochen habe ich mir geschworen, meinen Zettelkasten rituell zu verbrennen, mit dem ich all die Monate gelernt habe und der stetig umfangreicher wurde. Die Vorstellung hat mir vor Wochen geholfen, weil ich all die Fragen nicht mehr sehen konnte. Das Wissen kam mir an den Ohren raus.

Nach der bestandenen Prüfung meinte mein Mann, jetzt könne ich den Kasten ja verbrennen. Und da merkte ich: Das will ich gar nicht mehr. Er ist mir so ans Herz gewachsen. :o) Da steckt Wissen drin, das ich aus vielen Büchern, Skripten und Quellen zusammen getragen habe. Nein, es soll bei mir bleiben. *Drück*

Hier können Sie lesen wie ich meine Prüfung gefeiert habe und hier meine Meinung zu Psychologie: Hilfe für die Seele. Ende mit dem Tabu..

Mal sehen, was aus dem in diesem denkwürdigen Jahr 2012 angesammelten Wissen entstehen wird...

Herzlich,

Anja Kolberg

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Erstellt durch: Anja Kolberg am Montag, 12 November, 2012
Thema: Blog - 2012, 2. Halbjahr, Blog - Psychologie
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